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Selbstorganisation beginnt mit ICH

| Andreas Kellner

Selbstorganisation beginnt mit ICH

Selbstorganisation beginnt mit ICH

Lesezeit ca. 5:00 min

Selbstorganisation beginnt mit ICH, oder, grammatikalisch besser, mit mir. Das mag angesichts des “Selbst” in Selbstorganisation banal klingen, es ist aber alles andere als dies. Erstens ist es – aus verschiedenen Gründen – immer leichter, Probleme und Lösungen im bzw. für den Arbeits- aber auch den privaten Alltag außerhalb von mir selbst anzusiedeln und zu suchen.

Dazu kommt, dass oft gerade diejenigen unter uns, denen es besonders leichtfällt, Probleme für andere zu lösen, die größten Probleme damit haben, sich selbst und den eigenen Tag zu organisieren. Und schließlich ist eine vernünftige Selbstorganisation, die mich in die Lage versetzt, meinen Tag im Griff zu haben und Ziele zu erreichen, nicht “nur” Basis meines eigenen Fortkommens und (oft genug) Wohlergehens, sondern auch die Basis von funktionierenden Teams/Referaten/Abteilungen in Unternehmen und Institutionen, sowie die Basis von guter Führung.

 

Prozesse, Hilfsmittel, Selbstorganisation

In diesen zunehmend digitalen und erstaunlicher Weise wieder bzw. immer noch geradezu Technik-gläubigen Zeiten, ist es eine Tatsache, dass Prozesse und Werkzeuge – also eigentlich Hilfsmittel – in vielen Arbeitszusammenhängen so etwas wie eine führende statt einer dienenden Rolle einnehmen.

Selbstorganisation und Teamorganisation verkommen geradezu zu reinen Implementierungsübungen für das gerade heilsbringende Projektmanagement-, CRM- oder ERP-Programm. Nein, ich bin kein Technik-Feind und mir ebenso der Tatsache bewusst, dass viele Arbeitszusammenhänge ohne quasi-automatisierte Prozesse gar nicht mehr funktionieren würden.

Ob ein Werkzeug oder ein Prozess erfolgreich ist, hängt jedoch hauptsächlich von zwei Dingen ab:

  1. Ist die Entscheidung für die Einführung des jeweiligen Hilfsmittels bewusst und anhand der Frage “Was hilft uns am besten, unser Problem zu lösen?” getroffen worden?
  2. Verfügen diejenigen, die in diesem Prozess oder mit diesem Hilfsmittel arbeiten sollen, über eine ausreichende Selbstorganisation, so dass sie in der Lage sind, das Werkzeug sinnvoll zu verwenden und den Prozess mit Leben zu füllen.

 

Selbstorganisation als Basis von Führung & Teamorganisation

Ähnlich verhält es sich mit den wichtigsten Funktionsbereichen in jedem Unternehmen und jeder Institution:

Funktionierende Teams gibt es nur, wenn die Teammitglieder ihren Arbeitstag (und nicht nur den) hinreichend im Griff haben.

Ist das nicht der Fall, behindert der oder die Einzelne zwangsläufig das größere Ganze. Und beim Thema Führung geht die Gleichung sogar in zwei Richtungen auf (oder nicht): Die Führungskraft kann ihre wichtigste Rolle – das Führen – nicht ausfüllen, wenn der eigene Schreibtisch im Chaos versinkt und sie nur mit dem Reaktionsschießen des Tagesgeschäfts beschäftigt ist. Und die zu führenden werden die Führungsimpulse ebenfalls nicht umsetzen können, wenn sie schon damit kämpfen, das, was täglich auf sie einprasselt, halbwegs in den Griff zu bekommen.

 

Die Probleme der Problemlöser

Ich habe einige Zeit meines Lebens in Gemeinschaftsküchen verbracht, sei es im Zivildienst-Wohnheim, in der “WG” von Studienfreunden oder im Coworking-Büro. Und auch auf die Gefahr der unzulässigen Simplifizierung hin tendiere ich seither dazu, Menschen nach ihrem Verhalten hinsichtlich Ordnung und Sauberkeit in der Küche einzuordnen: Diejenigen, die von sich aus Geschirr spülen (oder in die Spülmaschine stellen) und diejenigen, die dies nicht oder nur auf Aufforderung tun.

Es ist klar, dass letztere üblicherweise weniger ihrer Zeit für die gemeinsam zu benutzende Küche aufwenden. Analog ist es im Büro: Diejenigen, die sich von sich aus für die eigene Arbeit, aber eben auch für das gemeinsame Ziel verantwortlich fühlen, gelten zwar als Problemlöser und hilfsbereite Menschen, haben aber oft weit mehr Probleme, ihren Tag in den Griff zu bekommen, als diejenigen, die mit dem Grundgedanken “Nach mir die Sintflut” durch die Welt laufen.

Für diese Problemlöser ist der Blick aufs Ich üblicher Weise besonders schwer, übertroffen nur noch von der Herausforderung des Nein-Sagens. Beide Grundfähigkeiten der Selbstorganisation sind denn für sie auch geradezu überlebensnotwendig, wollen sie nicht komplett in Besitz genommen werden.

 

Selbstorganisation heißt, die eigenen Probleme lösen

Wenn ich mich besser organisieren will, heißt das konkret: Ich muss versuchen, meine eigenen Probleme zu lösen. Bei fast allen von uns liegen diese “Feinde des Alltags” in ähnlichen Bereichen und auch die Lösung hat immer eines gemeinsam:

Wenn ich etwas verändern will, dann fange ich am besten dort damit an, wo ich die meiste Kontrolle ausüben kann.

Und ich habe immer mehr Kontrolle darüber, wie ich mit den Herausforderungen meines Alltags umgehe, als über die Herausforderungen selbst. Zudem sind nicht alle Hindernisse für meine Produktivität äußerlicher Natur; auch in unserem Inneren gibt es Widerstände, zu den wir uns verhalten müssen.

Ich meine das, was oft als “Innerer Schweinehund” bezeichnet wird und was einfach damit zu tun hat, das wir eben keine Computer oder Roboter sind, sondern Menschen mit all ihren Eigenheiten und Widersprüchen. Und ja, seit Freud wissen wir alle, dass völlige Kontrolle über unser Inneres eine Illusion ist. Dennoch ist auch beim Überwinden der inneren Hindernisse der Ansatzpunkt klar: Ich bin es. Praktische Selbstorganisation heißt in jedem Fall, dass ich meine eigenen Probleme da angehe, wo sie mich betreffen: Bei mir.

 

Zeitmanagement vs. Selbstorganisation

Vielleicht ist Ihnen bereits aufgefallen, dass ich recht konsequent von “Selbstorganisation” spreche, aber nur selten von “Zeitmanagement”. Dass dem so ist, hat ebenfalls mit dem gerade ausgeführten Gedanken zu tun: Ich kann mich selbst (besser) organisieren, weil ich ein Mindestmaß an Kontrolle über mich selbst habe oder erreichen kann. Die Zeit zu managen ist dagegen eigentlich eine seltsame und vielleicht sogar irreführende Vorstellung, die sich zum einen sehr am Wunsch nach Effizienz ausrichtet (warum das problematisch sein kann, habe ich versucht, in “Selbstorganisation ist kein Hobby” darzulegen), zum anderen ist es eigentlich nicht möglich, das zu tun.

Die Zeit vergeht einfach, was ich nur tun kann, ist, zu entscheiden, was ich in dieser Zeit tue. Wenn ich Zeitmanagement betreibe, betreibe ich also eigentlich Selbstmanagement oder eben Selbstorganisation.

Weiterlesen: Zu den Grundsätzen des Minimums an Selbstorganisation, wie ich sie vertrete.

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